CFP Bürokratisierung und Identitätskonstruktion im kolonialen und postkolonialen Kontext (1500–2015)

Call for papers : Bürokratisierung und Identitätskonstruktion im kolonialen und postkolonialen Kontext (1500–2015) /Bureaucratisation et construction des identités dans le contexte colonial et post-colonial (1500–2015)

Sommeruniversität des DHIP, 3.–7. Juli 2017 / Université d’été de l’IHA, 3–7 juillet 2017
Einsendeschluss: 15.3.2017 /Date limite: 15/3/2017

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Nahezu in allen Bereich sind bürokratische Praktiken Teil unseres Alltags. Unter Bürokratie verstehen wir eine Herrschaftsform, die in all jenen Gemeinwesen zu Tage tritt, die durch Professionalisierung, Hierarchien und rationale Normen gekennzeichnet sind. Häufig mit dem Staat assoziiert, gehen bürokratische Praktiken über das rein öffentliche Wirkungsfeld hinaus. Unser Leben wird von ihnen im privaten und beruflichen Bereich genauso bestimmt und strukturiert wie im politischen. Das reicht von der Erfassung der Geburtsurkunde bis zur Steuererklärung, von der Mitgliedskarte im Fußballverein zur Teilnahme an Wahlen, von der Verbandsmitgliedschaft zur Vermietung einer Wohnung, vom Darlehen bei einer Bank hin zur Aufnahme in einer Klinik. Bürokratische Praktiken werden nicht nur »von oben« aufgezwungen, sondern auch im Alltag »von unten« erfunden, herausgefordert und neuformuliert. In den letzten Jahrzehnten haben sie sich im Zuge von Globalisierung, der Existenz multinationaler Unternehmen und der Implementierung neoliberaler Regierungsprinzipien verstärkt. Der massive Rückgriff auf Statistiken bestätigt, dass wir in einem bürokratischen Universum leben, in dem der Gebrauch von Zahlen im Zentrum von Machtbeziehungen innerhalb von Verwaltungen, Unternehmen, Verbänden und sogar der Politik steht. Dazu kommt, dass viele aktuelle Konflikte teilweise mit bürokratischen Praktiken einhergehen. Dies betrifft sowohl Staaten in ihrem Anspruch, Personen und Territorien zu beherrschen, als auch Akteure in Bürgerkriegen, Piraten, Schleuser oder die Arbeitswelt. Zunehmend kommt es zu Spannungen, die auf die steigende Bedeutung zahlengebundener Indikatoren, Benchmarking, Berichtssysteme, quantitativer Auswertungen oder vielschichtiger Prozesse der Normalisierung, Rückverfolgbarkeit und Zertifizierung  zurückzuführen sind.

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Bürokratie ist eine gesellschaftliche Organisationsform. Seit über fünfhundert Jahren hat sie die Welt »erobert«. Was wie eine Erfolgsgeschichte erscheint, hatte verschiedene Ursprünge und war zugleich von Widerständen, Transformationen und Neuinterpretationen geprägt. Diese haben dazu beigetragen, bürokratische Praktiken lokal anzupassen und zu vereinnahmen. Dies wird besonders deutlich in der Rolle bürokratischer Praktiken bei der Produktion und Repräsentation von Identitäten infolge von Identifikationsprozessen. Auch Afrika und andere (post-)koloniale Regionen sind diesem Prozess nicht entgangen. Die Festlegung kolonialer, föderaler oder nationaler Territorien, die Registrierung von Einwohnern und das Ausstellen von Ausweispapieren, Pässen und anderen Passierscheinen, statistische Erhebungen von Altersangaben sowie sozialer, ökonomischer und ethnischer Kategorien, die Bestimmung von Zugehörigen zu Dorfvereinen und tontines, die zunehmende Bedeutung der Quantifizierung durch Strukturanpassungsprogramme, Inklusion und Armutsbekämpfung… all diese sozialen Organisationsformen gehen Hand in Hand mit bürokratischen Praktiken, die (wiederum) die Konstruktion von Identitäten und Identifikationen schaffen, verstärken und verstetigen können. Häufig als kulturelle, soziale oder politische Ausdrucksformen betrachtet, schreiben sie sich auch in Texte, Vorschriften, Kriterienkataloge und Kategorisierungen ein. Die Untersuchung kolonialer und postkolonialer Kontexte eröffnet also ein weites Forschungsfeld über das Wechselverhältnis von Bürokratie und Identitätskonstruktion. Wer sind »wir« und wer sind die »anderen«? Eine Annäherung an diese so alten wie nach wie vor politisch brisanten Fragen ist nur möglich, indem man die Rolle bürokratischer Praktiken im gesellschaftlichen Leben und ihre Bedeutung in verschiedenen Kontexten berücksichtigt.

Die deutsch-französische Sommeruniversität will diese Fragen aus interdisziplinären, epochenübegreifenden und transnationalen Perspektiven erforschen. Diese trilaterale deutsch-französisch-senegalesische Veranstaltung soll zu einem besseren Austausch in den Afrikastudien zwischen Europa, Afrika und anderswo beitragen. Dazu umfasst die Sommeruniversität die Lektüre theoretischer Texte, Präsentationen zu bestimmten Problematiken und Fallstudien sowie Diskussionen. Ziel ist es, eine Grundlage für zukünftige Forschung und Reflektion zu schaffen, welche neue Perspektiven und innovative Ergebnisse erlaubt.

Die Sommeruniversität wird vom transnationalen Forschungsprogramm »Die Bürokratisierung afrikanischer Gesellschaften« und dessen Partnern organisiert. Sie wird koordiniert vom Deutschen Historischen Institut Paris (DHIP), dem Centre de recherches internationales (CERI) der Sciences Po Paris und dem Centre de Recherche sur les Politiques sociales (CREPOS) in Dakar/Saint Louis (Sénégal) und von der Deutsch-Französischen Hochschule unterstützt.

Bestätigte Redner/innen: Peter Becker, Thomas Bierschenk, Simona Cerutti, Birgit Emich, Jean-Pierre Grossein, Carolyn Hamilton, Béatrice Hibou, Matthew S. Hull, Istvàn Kristo-Nagy, Elísio Macamo, Nayanika Mathur, Jean-Pierre Olivier de Sardan, Ursula Rao, Boris Samuel

Die Sommeruniversität richtet sich an Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler (Doktoranden und Postdoktoranden), aber auch an Masterstudierende mit einem Forschungsprojekt aus dem Bereich »Bürokratisierung und Identitätskonstruktion«. Vorschläge aus verschiedenen Disziplinen der Sozial- und Geisteswissenschaften sind willkommen, insbesondere Geschichte, Soziologie, Ethnologie, Philosophie und Politikwissenschaften. Kenntnisse der französischen Sprache werden vorausgesetzt.

Die Bewerbungen werden von Susann Baller, Sévérine Awenengo Dalberto, Béatrice Hibou und Niels F. May begutachtet. Auswahlkriterien sind wissenschaftliche Leistung und das Interesse an methodischen Fragestellungen. Die Anbindung an eine afrikanische, französische und/oder deutsche Universität oder Forschungsinstitution ist ein Vorteil, aber kein Ausschlusskriterium. Ausgewählten Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden die Reisekosten teilweise erstattet.

Bitte senden Sie Ihre Bewerbungsunterlagen in einem einzelnen PDF-Dokument bis zum 15. März an: nmay@dhi-paris.fr. Enthalten sein sollten:
1.     Abstract des geplanten Vortrags (max. 500 Wörter)
2.    Akademischer Lebenslauf mit Publikationsliste, Angaben zu Ihren Sprachkenntnissen.

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Les pratiques bureaucratiques sont omniprésentes dans notre vie quotidienne. Par bureaucratie, nous entendons une forme de domination (Herrschaft) dans toute sorte de communautés caractérisée par une professionnalisation, des hiérarchies et des normes rationalisées. Souvent liées à l’État, les pratiques bureaucratiques vont bien au-delà de la sphère publique. De l’enregistrement de l’acte de naissance à la déclaration d’impôts, de la carte de membre du club du football à la participation aux élections, de l’appartenance associative à la location d’une habitation, de l’emprunt dans une banque à l’acceptation dans un centre de soin, nos vies sont rythmées et structurées par ces pratiques aussi bien dans les domaines privé et professionnel que politique. Celles-ci ne sont pas uniquement imposées »d’en haut« mais aussi inventées, contestées et reformulées par »le bas« au quotidien. Durant les dernières décades, les pratiques bureaucratiques s’amplifient avec la mondialisation, les entreprises multinationales et la mise en œuvre de normes néolibérales de gouvernance. Le recours massif à la statistique confirme l’adhésion à l’univers bureaucratique en inscrivant l’usage des chiffres au cœur des rapports de pouvoir au sein des administrations, des entreprises, des associations et même dans la politique. En outre, nombre de conflits actuels sont en partie liés à des pratiques bureaucratiques. Ceci concerne aussi bien les États dans leur ambition de contrôler les personnes et les territoires que parmi les protagonistes des guerres civiles, les pirates, les passeurs de migrants, ou le monde du travail. L’importance croissante donnée aux indicateurs chiffrés, à l’étalonnage, aux techniques de reporting, aux évaluations quantifiées ou aux multiples procédures de normalisation, de traçabilité ou de certification créent des tensions.

La bureaucratie est une forme d’organisation des sociétés. Elle conquiert le monde depuis plus que cinq-cents ans. Ce qui apparaît comme une histoire victorieuse, a eu différentes origines, et a été faite aussi de résistances, de transformations et de réinterprétations qui ont contribué, différemment selon les conditions locales, à réadapter les pratiques bureaucratiques. Ceci est particulièrement évident dans le rôle crucial des pratiques bureaucratiques dans la production et les représentations des identités par des processus d’identification.  L’Afrique et d’autres régions du monde (post-)colonial n’ont pas échappé à ce processus. Délimitation des territoires coloniaux, fédéraux ou nationaux, enregistrement des habitants et livraison des cartes d’identité, des passeports et autres laissez-passer, enquêtes statistiques sur les conditions sociales, économiques, ethniques, d’âge, définition des conditions d’appartenance aux associations de village ou aux tontines, montée en puissance de la quantification avec les ajustements structurels et les programmes d’inclusion et de lutte contre la pauvreté… les formes d’organisation sociale vont de pair avec des pratiques bureaucratiques qui peuvent elles-mêmes créer et/ou renforcer la construction des identités et des identifications. Souvent considérées comme expressions culturelles, sociales ou politiques, elles sont aussi inscrites dans les textes, les règlements, les listes des critères, des catégorisations. Ainsi, l’examen des contextes coloniaux et post-coloniaux offre un vaste terrain pour l’étude des interdépendances entre bureaucratisation et construction des identités. Qui sommes »nous« et qui sont les »autres«? Ces questions aussi anciennes que politiquement brûlantes aujourd’hui ne peuvent être abordées qu’en considérant l’insertion de ces pratiques bureaucratiques dans la vie en société et la signification que ces dernières prennent dans des contextes différents.

L’université d’été franco-allemande entend explorer ces questions dans des perspectives interdisciplinaires, transpériodiques et transnationales. Cette manifestation trilatérale – allemande, française et sénégalaise – vise à mettre en place un meilleur échange entre les études africaines menées en Europe, en Afrique et ailleurs. L’université d’été combinera la lecture de textes théoriques, des présentations ciblées sur certaines problématiques et des études de cas ainsi que des débats. Le but est d’établir une base solide de réflexion et de recherche qui peut encourager des nouvelles perspectives ainsi que des résultats solides et novateurs.

L’université d’été est organisée par le programme de recherche transnational »La bureaucratisation des sociétés africaines« et ses partenaires. Elle est cofinancée par l’Université franco-allemande, en collaboration avec l’Institut historique allemand (IHA), le Centre de recherches internationales (CERI) de Sciences Po Paris et le Centre de recherche sur les politiques sociales (CREPOS) de Dakar/Saint Louis (Sénégal).

Les conférenciers confirmés sont: Peter Becker, Thomas Bierschenk, Simona Cerutti, Birgit Emich, Jean-Pierre Grossein, Carolyn Hamilton, Béatrice Hibou, Matthew S. Hull, Istvàn Kristo-Nagy, Elísio Macamo, Nayanika Mathur, Jean-Pierre Olivier de Sardan, Ursula Rao, Boris Samuel

L’université d’été s’adresse aux jeunes chercheurs (doctorants et post-doctorants), mais également aux étudiants en master ayant un projet de recherche dans le domaine »Bureaucratisation et création des identités«. Nous invitons des candidatures des différentes disciplines en sciences sociales et humaines, telles que l’histoire, la sociologie, l’anthropologie, la philosophie et les sciences sociales du politique. Les cours se tiendront en langue française et anglaise.

Les candidatures seront évaluées par Susann Baller, Sévérine Awenengo Dalberto, Béatrice Hibou et Niels F. May. Les critères de sélection seront l’excellence scientifique et l’intérêt porté aux questions méthodologiques. L’affiliation à une université africaine, française ou allemande sera un atout, mais pas exclusive. Les candidat(e)s sélectionné(e)s recevront un soutien financier pour leurs frais de voyage.

Veuillez soumettre vos dossiers de candidature en un seul fichier PDF avant le 15 mars 2017 à: nmay@dhi-paris.fr, incluant:
1.    un résumé de votre projet de recherche de 500 mots
2.    votre curriculum vitae, indiquant votre statut, votre affiliation et vos connaissances en langues.

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